wwwHerzversagen ist das Endstadium zahlreicher Herzerkrankungen. In solchen Situationen können Patienten nur durch eine Transplantation oder ein komplexes Unterstützungssystem gerettet werden. Um die Pumpleistung des Organs zu verbessern, arbeiten Forscher des Labors für integrierte Antriebe (LAI) am EPFL-Standort Microcity schon seit einiger Zeit an einem neuen, nicht invasiven Herzunterstützungssystem. Dieses besteht aus einem um die Hauptschlagader gelegten, per Magnetinduktion gesteuerten Ring. Die Werner Siemens-Stiftung ist von diesem Projekt so begeistert, dass sie der EPFL 12 Mio. Franken für den Aufbau eines Zentrums für künstliche Muskeln (Center for artificial Muscles, CMA) zur Verfügung gestellt hat. «Wir hoffen sehr, mit dieser Spende im Rahmen der Forschung am EPFL-Zentrum für künstliche Muskeln einen Beitrag zu einem Durchbruch im Bereich der Muskelerkrankungen leisten zu können. Dieses revolutionäre Vorreiterprojekt entspricht haargenau den Kriterien der Stiftung», erklärt Stiftungspräsident Hubert Keiber.
Nichtinvasives System
Bei der Entwicklung des Unterstützungssystems wird das Labor für integrierte Antriebe vonYves Perriard eng mit dem Herzchirurgen und Direktor der Universitätsklinik für Herz- und Gefässchirurgie am Berner Inselspital, Thierry Carrel, zusammenarbeiten. «Mit unserem System muss nicht mehr im Innern des Herzens operiert werden. Der um die Hauptschlagader gelegte und per Magnetinduktion gesteuerte Ring hilft dem Herz beim Pumpen. Diese Methode wird also weniger invasiv sein als die aktuell für die Herzunterstützung verwendeten Verfahren», erklärt Yves Perriard, Leiter des LAI in Neuenburg.
Konkret besteht das geplante System aus einer Reihe von Ringen aus einem als Dielectric Electro Active Polymer (DEAP) bezeichneten Material, das sich unter Strom ausdehnt und ohne Strom wieder zusammenzieht. Da diese Reaktionen unmittelbar erfolgen, entsteht eine in Echtzeit steuerbare Hin- und Herbewegung. «Die Besonderheit dieses Materials ist, dass es nicht zusammengedrückt werden kann. Sein Volumen bleibt konstant. Folglich nimmt die Oberfläche zu und speichert die übertragene Energie in Form von Verformungsenergie», erklärt der am LAI mit der Prototypenentwicklung beauftragte Doktorand Jonathan Chavanne. Legt man diese Ringe nun um die Hauptschlagader, kann damit die Pumparbeit des Herzens unterstützt werden.
Patienten früher behandeln
Dank der von der Werner Siemens-Stiftung bereitgestellten Mittel kann ein sechsköpfiges Vollzeitmitarbeiter-Team das Zentrum für künstliche Muskeln zum Leben erwecken: Zwei Doktoranden, zwei Postdoktoranden und zwei Ingenieure, die sich alle mit der Entwicklung dieser Technik befassen. Dabei können sie auf das Fachwissen des renommierten Herzchirurgen und Direktors der Universitätsklinik für Herz- und Gefässchirurgie am Berner Inselspital, Thierry Carrel zählen. Seine Forschungsgruppe am ARTORG Center for Biomedical Engineering und die experimentalchirurgische Station des Departments for BioMedical Engineering der Universität Bern werden zu diesem Projekt massgeblich beitragen. Seit einigen Jahren arbeitet die kardiovaskuläre ARTORG-Gruppe an Simulationsexperimenten im Bereich der mechanischen Kreislaufunterstützung. Die Entwicklung dieser weniger invasiven Methode ist eine wichtige Ergänzung der Möglichkeiten, schwache Herzen zu unterstützen.
Carrel wird die erste, über vier Jahre geplante Etappe vollumfänglich begleiten. Anschliessend und nur nach erfolgreicher Erprobung der Technologie auf dem Prüfstand wird der Chirurg das System bei Tieren implantieren. Am Ende dieser Phase wissen die Forscher, wie es um die Machbarkeit dieser Technologie bestellt ist. Thierry Carrel erhofft sich viele Vorteile: «Für den Patienten wäre diese Technologie sicherlich weniger invasiv als die aktuellen Herzunterstützungssysteme, weil es keinen direkten Kontakt mit dem Blutfluss oder den Blutzellen gibt. Entsprechend ist ein Einsatz in einem früheren Stadium als bei den bisherigen Techniken denkbar, um das Herz vor dem endgültigen Versagen zu unterstützen.» EPFL-Präsident Martin Vetterli betont: «Es handelt sich um ein vielversprechendes Projekt an der Schnittstelle von Ingenieurwesen und Medizin. Ich bin besonders glücklich über die dadurch initiierte universitäre Zusammenarbeit, vor allem mit dem Inselspital.»