Netzwerktreffen: Interdisziplinäre und interprofessionelle Versorgung zur Prävention von chronischen Schmerzen

Am 4. Juni 2024 fand im Inselspital das erste inhaltliche Netzwerktreffen des Projektes PrePaC statt. Das Treffen förderte den inhaltlichen und informellen Austausch der Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen Berufsgruppen und diente dem weiteren Ausbau des Netzwerks zur Prävention chronischer Schmerzen.

Seit dem 1. Januar 2023 unterstützt die Gesundheitsförderung Schweiz das Projekt Prevention of Pain Chronification (PrePaC) zur Prävention chronischer Schmerzen. Das Projekt betrachtet Menschen mit Schmerzen ganzheitlich und berücksichtigt anhand eines biopsychosozialen Krankheitsmodells neben biologisch-körperlichen und psychischen auch soziale Faktoren. Das vom Schmerzzentrum am Inselspital initiierte und gesteuerte Projekt ist mittlerweile zu einem breit abgestützten Netzwerk angewachsen und hat sich in der Struktur, Organisation wie auch der Umsetzung gut entwickelt.

Gesundheitspfad am Inselspital umgesetzt
Seit Projektbeginn konnten bereits über 100 Patientinnen und Patienten im Notfall des Inselspitals akut physiotherapeutisch behandelt werden. Über zehn Patientinnen nahmen zudem ein sozialmedizinisches Angebot bei Hinweisen auf ein erhöhtes Risiko von chronischen Schmerzen wahr. Diese Angebote sind Bestandteil eines umfassenden Gesundheitspfads, den das Projekt PrePaC nun basierend auf internationalen Leitlinien und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen implementiert hat. Diese Erkenntnisse sind zentral für das Verständnis und die Behandlung chronischer Schmerzen als eigenständige Erkrankung und integrieren biologische, psychologische und soziale Faktoren – das sogenannte biopsychosoziale Schmerzmodell.

Netzwerk als Schlüssel zur Prävention
Das Netzwerktreffen PrePaC vom 4. Juni 2024 vereinte 40 Teilnehmende, darunter sowohl Patientinnen und Patienten als auch Fachpersonen aus unterschiedlichen Professionen, darunter Medizin, Physio- und Ergotherapie, Soziale Arbeit, Psychosomatik, Sozialversicherungen, NGOs wie die Rheumaliga Bern, Fachhochschulen und alternative Therapieformen. Sie wurden über den aktuellen Stand des Projektes informiert und diskutierten gemeinsam die Notwendigkeit und Herausforderungen einer verstärkten Integration sozialer Arbeit in die medizinische Grundversorgung.

Dr. med. Andrea Schindler, Mitglied der Geschäftsleitung von mediX Bern, betonte in ihrem Referat die Bedeutung Sozialer Arbeit in der Hausarztpraxis: «Soziale Anliegen treten häufig in der hausärztlichen Sprechstunde auf und können mangels Wissens und Zeit oftmals ungenügend behandelt werden.» Sie zeigte Beispiele wie in einer Zusammenarbeit von mediX mit dem Sozialberatungsbüro SoBü Bärn hier eine niederschwellige und direkte Unterstützung geboten werden kann.

Herausforderungen und Finanzierung
Ein zentraler Diskussionspunkt am Netzwerktreffen war die Finanzierung Sozialer Arbeit in der medizinischen Versorgung. Die Integration Sozialer Arbeit in die Grundversorgung stösst oft auf finanzielle Hürden. Das derzeitige Gesundheitssystem ist stark segmentiert und finanziert vernetzte Behandlungen kaum. Es bedarf eines Umdenkens hin zu ganzheitlichen, ambulanten Behandlungsansätzen, wie Dr. René Rüegg von der Berner Fachhochschule in seinem Referat über aktuelle Studien betonte: «Ärztinnen und Ärzte sind bei uns für die Behandlung von Krankheiten zuständig. Für den Erhalt oder die Förderung von Gesundheit und ihren sozialen Aspekten bleibt nur wenig Zeit in der schulmedizinischen Versorgung.»
«Vertrauen aufzubauen ist eine Schlüsselkompetenz von Sozialarbeitenden und deshalb an der Schnittstelle zwischen Gesundheitswesen und Sozialwesen von besonderer Bedeutung» hebt Dunja Vetter, Sozialarbeiterin der Caritas beider Basel, als weitere Herausforderung in der Darstellung ihres ebenfalls von Gesundheitsförderung Schweiz unterstützten Projekts hervor.
 

Ermutigende Beispiele und künftige Schritte
Erfolgreiche Sozialberatungsprojekte wie diejenigen der Caritas beider Basel und mediX Bern zeigen, wie Soziale Arbeit effektiv in die Grundversorgung integriert werden kann. Das Projekt PrePaC plant, solche Angebote zu nutzen und zu ergänzen, um speziell Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen umfassend zu unterstützen.

Das Netzwerktreffen verdeutlichte auch die Notwendigkeit eines Kulturwandels und einer besseren Bewusstseinsbildung bei Fachpersonen und Betroffenen über die Rolle der Sozialen Arbeit. Dunja Vetter betonte deshalb auch: «Ein neues Angebot in der Grundversorgung bedingt Anlaufzeit und einen Kulturwandel.»

Ausblick
PrePaC strebt an, Prävention als festen Bestandteil jeder Schmerzbehandlung zu etablieren und die Grundversorgung, das Case Management sowie die klinische Soziale Arbeit im Gesundheitswesen zu stärken. Wenn es so gelingt, Prävention von chronischen Schmerzen in regional organisierten Netzwerken umzusetzen, könnte das Projekt auch einen kostensenkenden Effekt haben. Das Projekt wird weiterhin durch Fortbildungen, Medienbeiträge und eine wachsende Plattform, die auf der Website des Schmerzentrums des Inselspitals zu finden ist, unterstützt.

Die erfolgreiche Umsetzung des Gesundheitspfads und die kontinuierliche Qualifizierung der beteiligten Fachpersonen zeigen, dass das Projekt PrePaC auf dem richtigen Weg ist, die Versorgung bei chronischen Schmerzen nachhaltig zu verbessern. Das Netzwerktreffen war ein kleiner Schritt für das längerfristige Ziel des Projekts, das Thema Prävention chronischer Schmerzen in einem universitären Sinn als wichtigen Bestandteil im Gesundheitssystem in der Lehre, Forschung und Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verankern.

Tom Friedli, Co-Projektleiter PrePaC, moderiert die angeregte Diskussionsrunde.

René Rüegg in der angeregten Diskussionsrunde