Schwangerschaftsdiabetes betrifft bis zu 14 Prozent aller werdenden Mütter und kann das Risiko für Komplikationen wie ein erhöhtes Geburtsgewicht, Veränderungen des Fruchtwassers oder eine Unterzuckerung beim Neugeborenen erhöhen. Eine präzise Blutzuckerkontrolle ist entscheidend, um diese Risiken zu minimieren. Bisher erfolgte die Kontrolle vor allem durch die Selbstmessung (englisch: Self-Monitoring of Blood Glucose; SMBG). Diese Methode ist nicht nur unangenehm, sondern erfasst auch nur einzelne Messwerte und ermöglicht somit keine kontinuierliche Überwachung. Dies erschwert es vielen Frauen, ihre Blutzuckerwerte dauerhaft im Blick zu behalten.
Blutzuckermessung per Sensor als Alternative
Eine moderne Alternative zur SMBG ist die kontinuierliche Echtzeit-Blutzuckermessung (rt-CGM) mittels eines Sensors. Dabei wird die Blutzuckerkonzentration automatisch und fortlaufend durch ein medizinisches Gerät gemessen. In der Forschung ist der Nachweis der Effizienz von rt-CGM für Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes umstritten: Während einige Studien positive Effekte auf die Blutzuckerkontrolle und neonatale Ergebnisse zeigen, finden andere keinen solchen Zusammenhang. Zudem gibt es bislang keine einheitlichen Empfehlungen, wann und wie häufig rt-CGM bei Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes angewendet werden sollte.
Weltweit grösste randomisierte Studie zum Vergleich von SMBG und rt-CGM
Ein Forschungsteam der Universitätsklinik für Frauenheilkunde des Inselspitals untersuchte deshalb, ob das rt-CGM-System im Vergleich zur traditionellen SMBG-Methode zu vergleichbaren Schwangerschafts- und Geburtsverläufen führt. In der weltweit ersten randomisierten Studie zum Vergleich der beiden Blutzucker-Messmethoden teilten sie 302 Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes per Zufallsprinzip entweder der rt-CGM-Gruppe oder der SMBG-Gruppe zu. Während der gesamten Schwangerschaft wurde ihr Blutzucker überwacht. Primäres Ziel der Studie war es, mögliche Komplikationen wie ein zu hohes Geburtsgewicht des Kindes, Veränderungen des Fruchtwassers oder Unterzuckerung bei Neugeborenen zu untersuchen.
Klinische Ebenbürtigkeit von rt-CGM und Vorteile für Patientinnen
Die soeben im «The Lancet Diabetes & Endocrinology» veröffentlichte Studie ergab, dass zwischen den beiden Blutzucker-Messmethoden keine signifikanten Unterschiede bestehen. Die Komplikationsrate lag in beiden Gruppen auf nahezu gleichem Niveau: 35 Prozent in der rt-CGM-Gruppe gegenüber 36,4 Prozent in der SMBG-Gruppe. Auch hinsichtlich der Notwendigkeit einer Insulintherapie, der Geburtsmethoden oder des Bedarfs an intensivmedizinischer Versorgung für Neugeborene zeigten sich keine relevanten Differenzen. Somit konnte die klinische Ebenbürtigkeit im Vergleich mit der bisherigen Methode SMBG belegt werden.
Die Studie hat des Weiteren gezeigt, dass die Teilnehmerinnen trotz fehlender messbarer klinischer Vorteile die rt-CGM-Methode bevorzugten. «Die Patientinnen empfanden rt-CGM als besser und angenehmer, da die notwendigen Fingerstiche entfallen. Diese Methode könnte somit allen Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes zugutekommen», erklärt Dr. med. Sofia Amylidi-Mohr, stellvertretende ärztliche Leiterin am Zentrum für Ultraschall und Pränataldiagnostik sowie Erstautorin der Studie. Studienleiter Prof. Dr. med. Daniel Surbek ergänzt: «Diese Erkenntnisse bilden die Basis dafür, dass rt-CGM künftig routinemässig für Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes eingesetzt wird». Allerdings betonen die Forschenden, dass die Anwendung von rt-CGM in zukünftigen Kosten-Nutzen-Analysen genau geprüft werden sollte, bevor eine breite Einführung erfolgt.
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Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Publikation
Amylidi-Mohr, S. et al. Continuous glucose monitoring in the management of gestational diabetes in Switzerland (DipGluMo): an open-label, single-centre, randomised, controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2025; published online May 26. doi.org/10.1016/S2213-8587(25)00063-4.
Experten
Prof. Dr. med. Daniel Surbek, Chefarzt und Geschäftsführender Co-Klinikdirektor, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern und Universität Bern
Dr. med. Sofia Amylidi-Mohr, stv. Ärztliche Leiterin am Zentrum für Ultraschall und Pränataldiagnostik, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern und Universität Bern.